Das Proletariat zu benennen und sich formal dazuzurechnen ist doch was ganz anderes als zu sagen: als Prolet wehr ich mich endlich gegen die Zumutungen, die mir abverlangt werden. Den großen Akt der Revolution verlangt von denen niemand, aber die Entwicklung von ein bisschen Klassenbewusstsein, davon, was es heißen könnte, wenn die Subalternen endlich anfingen, sich zu widersetzen, schon. Das setzte aber voraus, dass man die Klasse nicht als den großen objektiven Block wahrnähme, der einem gegenübersteht (auch wenn man sich ihm selber in Klammern zurechnet), sondern als die Keimform eines politischen Projekts (wenn ich mal das Wort aufgreifen darf, das die Autoren selbst an dieser Stelle gebrauchen).
Das Proletariat als solches gibt es nicht. Es ist zunächst nichts als ein analytisches Konzept von Marx, um Ausbeutung theoretisch abzuleiten. Oder anders ausgedrückt: Marx unterschiebt seiner Analyse bereits die Realität einer Sache, die tatsächlich in gar nichts anderem als ihrem Bewusstsein besteht: sich als Klasse zu begreifen, heißt, seine Interessen in einem System der gesellschaftlichen Ausbeutung zu erkennen und sich kollektiv dagegen zu organisieren. Der Historiker E. P. Thompson spricht von “The making of the English working-class” und meint damit die Selbsterschaffung der Klasse als Akt des politischen Für-sich-werdens in dem Moment, wo sich Leute kollektiv zu wehren beginnen, nicht den Prozess der ursprünglichen Akkumulation, der eben keine Klasse, sondern nur einen Haufen ohnmächtiger proletarisierter Einzelner in die Welt setzt.
Man muss sich mal von diesem objektivistischen Klassenbegriff verabschieden: Klasse ist nicht das, was man in einem Sozialstrukturdiagramm aufmalen kann, weswegen Soziologen auf der Ebene nie eine Klasse vorfinden. Da gibt es nur Millionen von Positionen in einem endlos differenzierbaren Statussystem. Klasse ist das politische Projekt der kollektiven Wiederaneignung der Bedingungen der eigenen materiellen Reproduktion.
